27.10.2023

Referenzauskünfte im Recruiting

Faktencheck – aber richtig!

Im Laufe meiner Rekrutierungs-Erfahrung habe ich die Diskussion nach Sinn oder Unsinn von Referenzauskünften schon oft geführt. Und ich habe – auch im Laufe der Jahre – meine eigene Version zusammengestellt.

In diesem Blog-Beitrag teile ich mit Dir meine Ideen, Erfahrungen & Vorstellungen einer objektiven Referenzauskunft. Du kannst wie bei einem reichhaltigen Buffet schauen, was Du gerne probieren möchtest. Sicher hat's auch Elemente dabei, die Du schon kennst. Und vielleicht auch das eine oder andere «Ding», das Dir in diesem Zusammenhang noch nicht begegnet ist.

Lass Dich überraschen!

1. Auswahl hinterfragen

Es ist meines Erachtens äusserst wichtig, die Auswahl der vorgeschlagenen Referenzen aktiv zu hinterfragen. Es ist spannend zu entdecken, weshalb die Bewerbenden die entsprechenden Personen gewählt haben. Oder wie sie die Frage beantworten, ob auch andere Menschen eine objektive Beurteilung abgeben könnten?

Ich stelle auch oft die Fragen: Wen haben sie nicht gewählt und weshalb? Oder ich frage: wen sollten wir besser NICHT fragen und weshalb?

Diese «Zusatzschlaufe» im Gespräch ist ein weiterer Kontrollpunkt in Deiner Beurteilung der KandidatInnen, weil Du die Reaktion auf diese unvorbereitete Frage in die Gesamtschau einfliessen lassen kannst. Deshalb ist es wichtig, diese Frage im Interview zu stellen.  

2. Kontakt mit der Auskunftsperson

Es ist zu meiner Gewohnheit geworden, die Referenz-Personen an ihrem Arbeitsplatz anzurufen. Und zwar auf der Festnetz-Linie und nicht auf ihrem Mobiltelefon. Am liebsten rufe ich zuerst die zentrale Nummer des Arbeitgebers der Referenzperson an und frage nach, welche Funktion der Mensch innehat. Erst dann lasse ich mich verbinden.

Das bedeutet, dass Du bei Deinen Bewerbenden nicht nur den Namen und die Telefonnummer, sondern auch den Arbeitgeber der Referenzpersonen verlangst.

 

honi soit qui mal y pense - ein Schelm, der Schlimmes denkt...
Honi soit qui mal y pense ...

Ich hör' Dich schon sagen: «ja, aber dann vertraust Du ja niemandem wirklich...!» Und meine Antwort ist: «klar vertraue ich!» Ich sage aber auch: «…Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser!»

In diesem Zusammenhang bin ich vielleicht schon ein (kleiner) Schelm, der «Schlimmes» denkt. Ich trage als Recruiter aber auch die Verantwortung für eine objektive Auskunft. Und ich folge dem Leitspruch «better safe than sorry».

Woher diese Haltung kommt? Aus meiner Erfahrung: Eine wirklich schlechte Rekrutierung von mir ging unter anderem deshalb «in die Hose», weil ich bei der Referenzauskunft nicht kritisch genug war. Mein Instinkt flüsterte mir zwar ins Ohr, dass hier möglicherweise etwas nicht ganz «koscher» sein könnte. Aber die Zeit hatte gedrängt, und der Kandidat war «eigentlich» ok ... aber eben nur «eigentlich». Und ich zitiere Florian Schrodt, der im besagten Artikel sagt «wenn es schnell gehen muss, sollte man manchmal ganz langsam machen.» Man(n) lernt eben nie aus 😉.

3. Gespräche führen & dokumentieren

Das Gespräch sollte dokumentiert und in die Personalakte integriert werden. Ich habe begonnen, das Gespräch aufzunehmen und anschliessend zu transkribieren. Geht gut mit «Quick Time Player» bei Apple und «Rekorder» in der Windows-Welt. Diese Methode ist aufwändiger, aber auch genauer. Und selbstverständlich werden die Aufnahmen gelöscht, nachdem die Informationen niedergeschrieben sind.

Auf diese Weise kann ich mich voll auf das Gespräch mit den Auskunftspersonen konzentrieren und muss nicht gleichzeitig die Antworten mitschreiben. Dadurch hat sich in vielen Fällen eine spannende Diskussion ergeben, die weiter geht als nur Fragen beantworten. Im Dialog mit den Auskunftspersonen kannst Du bei gewissen Antworten nachfragen und in die Tiefe gehen.

Es ist irgendwie fast wie ein kleines Interview – und deshalb wertvoll. Ich habe auch schon Bewerbende nach der Referenzauskunft nochmals kontaktiert und mit ihnen gewisse Aussagen der Referenzpersonen tiefer erläutert.

4. Die «richtigen&wichtigen» Fragen stellen – aber richtig

Hier findest Du eine Auswahl der wesentlichen Elemente resp. Fragen einer Referenzauskunft. So wie ich das sehe. Und nein, Du musst nicht alle Fragen stellen. Abhängig von der Position und der Aufgabe kannst Du aus der folgenden Liste die wesentlichen Fragen wählen, um ein umfassendes Bild zu erhalten.

  • Referenzperson (Name und Funktion)
  • Datum/Zeitraum der Zusammenarbeit
  • Welches war das Verhältnis von Ihnen (Referenzperson) zu den Bewerbenden?
    Diese Frage hilft dabei, die Relevanz der gemachten Angaben zu validieren.
  • Können Sie mir einen Überblick über die Verantwortlichkeiten und Aufgaben der Kandidatin/des Kandidaten in Ihrer Firma geben?
    Diese Frage hilft dabei, die Konsistenz der von den Kandidaten gemachten Angaben zur Stellenbeschreibung zu überprüfen.
  • Wie war die Leistung der Person in Bezug auf Qualitätsstandards, Arbeitsmoral und Produktivität?
    Damit kannst Du Einblick in die Leistungsfähigkeit der Kandidaten im Arbeitsumfeld erhalten.
  • Können Sie Beispiele für Projekte oder Leistungen des Kandidaten nennen, die sich positiv auf Ihr Unternehmen ausgewirkt haben?
    Dies ermöglicht es Dir, konkrete Erfolge oder Beiträge der Kandidierenden zu verstehen.
  • Wie hat der Kandidat/die Kandidatin auf Feedback und Weiterentwicklungsmöglichkeiten reagiert?
    Dies hilft dabei, die Lernbereitschaft und Anpassungsfähigkeit der Kandidaten zu beurteilen.
  • Können Sie etwas über die Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Anwesenheit der Person berichten?
    Diese Aspekte sind wichtig, um die Arbeitsgewohnheiten der Kandidaten zu verstehen.
  • Wie hat die Kandidatin/der Kandidat im Team gearbeitet? Können Sie Einblicke in die Teamfähigkeit und Kommunikationsfähigkeiten geben? Wie haben sich andere in der Gegenwart dieser Person gefühlt?
    Diese Frage ist wichtig, um festzustellen, wie der Kandidat in einem Teamumfeld agiert.
  • Wie war das Auftreten gegenüber Vorgesetzten?
    Diese Frage gibt Dir Aufschluss darüber, wie die Person mit Führungspersonen agiert.
  • Worauf muss ein/e zukünftige/r Vorgesetzte/r im Umgang mit dieser Person besonders achten? Und: Welche Art von Führung ist ideal für diese Person?
    Du kannst mit diesen Fragen hier auch noch den «geeigneten» Führungsstil erfahren und die Information mit dem Führungsstil des «Hiring-Managers» abgleichen.
  • Gab es während der Beschäftigung bei Ihnen irgendwelche Probleme oder Schwierigkeiten?
    Hier erhältst Du Informationen über mögliche Herausforderungen oder Bedenken während der Zusammenarbeit mit den Kandidaten.
  • Wie hat die Person auf Feedback und Weiterentwicklungsmöglichkeiten reagiert?
    Dies hilft dabei, die Lernbereitschaft und Anpassungsfähigkeit zu beurteilen.
  • Können Sie uns etwas über die Fähigkeiten und Stärken der Person berichten, die sich in der Arbeit bei Ihrem Unternehmen gezeigt haben?
    Diese Frage ermöglicht es, spezifische Fähigkeiten und Eigenschaften der Kandidaten aus der Sicht des Referenzgebers zu verstehen.
  • Haben Sie während der Zusammenarbeit mit dem Kandidaten Fortschritte in seiner persönlichen und beruflichen Entwicklung bemerkt?
    Dies gibt Aufschluss über die Fähigkeit des Kandidaten, sich weiterzuentwickeln und zu wachsen.
  • Können Sie uns etwas über die Arbeitsweise der Kandidatin unter Stress oder bei knappen Fristen erzählen?
    Diese Frage hilft zu beurteilen, wie die Kandidatin mit Druck und Stress umgeht.
  • Inwiefern hat die Kandidatin zur Unternehmenskultur und zum positiven Arbeitsumfeld beigetragen?
    Dies ermöglicht es, die Passung der Kandidatin zur Unternehmenskultur zu evaluieren.
  • Gab es Zeiten, in denen der Kandidat Herausforderungen oder Konflikte bewältigen musste? Wie hat er/sie diese Situationen angegangen?
    Diese Frage gibt Einblick in die Konfliktlösungsfähigkeiten und Problemlösungsstrategien des Kandidaten.
    Ja: Lass Dir konkret beschreiben, wie die Person damit umgegangen ist.
    Nein: lass Dir erklären, weshalb nicht!
  • Können Sie uns Feedback von anderen Teammitgliedern oder Vorgesetzten über den Kandidaten mitteilen?
    Dies bietet die Möglichkeit, verschiedene Perspektiven auf die Zusammenarbeit mit dem Kandidaten zu sammeln.
  • In welchen Bereichen sieht die Auskunftsperson möglicherweise noch Verbesserungsbedarf?
    Hier kannst Du herausfinden, ob die Notwendigkeit für persönliches Wachstum und Entwicklung besteht.
  • Können Sie uns etwas über die Kommunikationsfähigkeiten des Kandidaten berichten? Wie war seine Interaktion mit Kunden/Kollegen?
    Diese Frage ist dann besonders relevant, wenn Kommunikation eine wichtige Rolle in der Position spielt.
  • Hat die Kandidatin während der Zeit bei Ihrem Unternehmen zusätzliche Verantwortungen übernommen oder sich in besonderer Weise hervorgetan?
    Dies kann auf Initiative und Engagement des Kandidaten hinweisen.
    Wenn ja, welche, weshalb, wann&wie? Auch hier so konkret wie möglich.
    Wenn nein, weshalb nicht?
  • Gibt es sonstige Informationen oder Beobachtungen, die Sie über den Kandidaten teilen möchten?
    Diese offene Frage ermöglicht es der Referenzperson, zusätzliche relevante Einblicke zu teilen, die vielleicht nicht durch die vorherigen Fragen abgedeckt wurden.
  • Weshalb hat die Kandidatin oder der Kandidat das Unternehmen verlassen? oder: Warum und wie hat das Arbeitsverhältnis geendet?
    Diese Frage kann helfen, mögliche Gründe für eine Trennung zu erfahren und festzustellen, ob es Unstimmigkeiten gab. Und Du kannst feststellen, ob die die gleiche Information erhältst wie im Bewerbungsgespräch, resp. wie «stimmig» die Aussagen im Bewerbungsgespräch waren.
  • Was zeichnete die Mitarbeiterin/den Mitarbeiter besonders aus?
    Auch durch diese offene Frage erfährst Du möglicherweise Elemente, die Du mit den vorherigen Fragen nicht erhalten würdest.
  • Hat die Person Sie oder andere irgendwann überrascht oder enttäuscht?
    Diese allgemeine und offene Frage kann Dinge hervorbringen, die Du sonst nicht erfährst.
  • Gab es Vertrauensprobleme?
    Eine klare Nein-Antwort ist hier die beste Antwort. Bei zögerlichen «Nein-Antworten» unbedingt nachfragen. Bei «Ja» sowieso!
  • Hat man im Laufe des Arbeitsverhältnisses Verhaltensveränderungen bemerkt? Wenn ja, welche & weshalb.
    Auch diese offene Frage kann Antworten bewirken, die das Bild der Bewerbenden komplettiert.
  • In welcher Position könnten der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin seine/ihre Fähigkeiten Ihrer Meinung nach am besten entfalten?
    Die Antwort kann Aufschluss darüber geben, wie die neue Stelle/Position aus Sicht der Referenzperson in die weitere Entwicklung der Bewerbenden passt.



    ...und dann natürlich DIE Frage, die niemals fehlen darf 😉:
  • Würden Sie die Person erneut einstellen oder empfehlen?  
    Diese Frage gibt Dir eine direkte Einschätzung der Zufriedenheit der Referenzperson mit der sich bewerbenden Person.
    o  Falls ja, weshalb?

    o  Falls nein, weshalb nicht?

Die schriftlich protokollierten Referenzauskünfte kannst Du mit dem Hiring-Manager auswerten und ins Gesamtbild einfügen. Gestützt auf allen Fakten, kannst Du dann den Entscheid fällen. Und die Audio-Datei des Gespräches löschen. Datenschutz lässt grüssen!

GO oder STOP

Willst Du mehr von «beyondrecruiting» lesen?

Dann abonniere meinen kostenfreien Newsletter. Du bekommst jede Woche Info rund ums Thema Rekrutierung mit Ideen und Tipps wie Du Dein Recruiting noch erfolgreicher machen kannst.

Ja, das will ich!